Unterwegs im Northern Territory von Australien

Grosse Erwartungen, nuechterne Realitaet.
 
Unsere Ankunft in Darwin hat alle unsere Erwartungen untertroffen. Wie schon in den News vom 09. Juli 2007 geschrieben, ist Darwin nicht das Traumziel eines Australienurlaubes. Vielleicht haben wir auch nur die falschen Seiten kennen gelernt und waren zu verwoehnt vom asiatischen Lebensstil: Aus war der Traum von geraeumigen Doppelzimmern in schoenen Bamboo-Huettchen am Strand, leckerem Essen und sonstigen Annehmlichkeiten. Nun hiess es: Herzlich Willkommen in den Backpacker-Butzen und im Weisstoast-/ Fastfoodland! Na wie auch immer. Nachdem wir eine viel zu ueberteuerte Unterkunft gefunden hatten, machten wir uns an die weitere Planung. Was machen wir nun??? Wir hatten zwei Optionen ins Auge gefasst: Entweder mit dem Flieger nach Cairns, was allerdings an der Verfuegbarkeit haperte. Oder mit einem Campervan durch’s Outback bis zum Ayers Rock und dann wieder Richtung Nordosten nach Cairns. Wir checkten die Rental-Moeglichkeiten per Werbeflyer und machten uns auf zu den einzelnen Vermietungsstationen. Tja, auch hier hatten wir uns etwas verschaetzt, denn die meisten Campervans der guenstigen bis mittleren Preisklasse waren schon Wochen im Voraus ausgebucht. Denn wie wir erfuhren, ist im Juli die beste Reisezeit im Northern Territory – nicht zu heiss, keine Ueberschwemmungen, etc. Einige teure Wohnmobile waren dennoch zu haben. Unsere letzte Chance: Das Tourist Information Center. Und siehe da, die freundliche Mitarbeiterin konnte fuer uns noch einen einzigen Campervan fuer 14 Tage auftreiben, bei Traveller Autobarns. Da wir nicht viele Alternativen hatten, buchten wir ohne gross zu ueberlegen. Denn es war unsere einzige mobile Moeglichkeit, um hier wegzukommen.
Vorbereitungen sind besser als Nachbereitungen
 
Am naechsten Morgen konnten wir unser "Zuhause" fuer die naechsten zwei Wochen abholen. Der Typ, anscheinend der Chef von dem Laden, schien etwas ueberfordert bzw. unwissend ueber unsere Reservierung zu sein. Als wir im Buero sassen, ordnete er erstmal seine Ablage und fragte dann, was wir denn wollten. Naja, was will man wohl bei einem Autovermieter?!?!? Lange Rede, kurzer Sinn. Nach kurzen Formalitaeten, holten wir unser Gepaeck aus dem Hostel. Danach wurde das Mobil mit einer Schnellreinigung versehen, was so aussah, dass zwei Mitarbeiter mit Handfeger und Glasreiniger "wisch wasch" machten. Der Kilometerstand von 450.000 km weckte in uns eine gewisse Art von Panik und ein ungutes Gefuehl fuer die naechsten vier- oder fuenftausend Kilometer durch verlassenes Land. Aber wir hatten keine andere Wahl und Ian, der Chef der Vermietungfiliale, versicherte uns, das es kein Problem fuer das Fahrzeug sei, die haetten wohl alle so viel auf der Uhr. Na denn. Nach kurzer, nicht wirklich ausfuehrlicher Demonstration der Funktionalitaet in und am Campervan, konnten wir endlich los. Auf ging’s zum Supermarkt. Wir kauften alles, was wir fuer notwendig hielten: Vom Essen, ueber Rot- und Weisswein bis hin zu Waescheklammern, etc. Eben alles, was wichtig war, denn der naechste Supermarkt sollte erst hunderte Kilometer weiter sein.
Blick von Ubirr auf's Wetland
Blick von Ubirr auf's Wetland
"Wildlife" im Kakadu Nationalpark
 
Nachdem wir Darwin verlassen hatten, warteten wir gespannt auf die ersten Kaengeruhs, die uns auf die Strasse springen wuerden. Nichts. Naja, vielleicht erst, wenn wir im Kakadu Nationalpark sind, dachte ich. Wieder nichts. Kein Kaengeruh, kein anderes wildes Tier, gar nichts. Auf dem Highway sah man kaum Fahrzeuge. Alle gefuehlte hundert Kilometer kam mal ein Auto, ein Truck, sonst nichts. Einige Stunden waren wir nun schon unterwegs. Man muss dazu sagen, eine Geschwindigkeit von ueber 110 km/h hatten wir dem Campervan einfach nicht zugetraut. Deshalb ging’s auch nur im "Schneckentempo" voran.
Es war bereits abends und wir steuerten den ersten Campingplatz im Kakadu Nationalpark an – ein idyllisches Plaetzchen und wir waren umgeben von australischen Fruehpensionaeren. Alle waren super nett und sehr hilfsbereit. Der eine half uns aus mit einem Wasserschlauch, denn unser war viel zu kurz. Ein anderer gab uns Tipps, was man im Nationalpark auf alle Faelle gesehen haben sollte...
 
Anfangs war ich ja etwas skeptisch, was Campen im Outback betrifft, bezueglich irgendwelcher giftigen Schlangen, Spinnen oder sonstigen Tieren. Am zweiten Tag hab ich darueber kaum noch nachgedacht.
ein "kleines" Salty
ein "kleines" Salty
Insgesamt haben wir zweieinhalb Tage in diesem Nationalpark verbracht. Von Ubirr aus hatten wir eine tolle Sicht auf das flache, weite Land und konnten Aboriginal Art in riesigen Felsbrocken begutachten. Ueberall im Nationalpark sahen wir Warnschilder fuer Salzwasserkrokodile. Diese werden hier "liebevoll" Salty’s genannt. Im Yellow Water Gebiet sahen wir sie dann leibhaftig. Dort hatten wir eine Tour gebucht und diese war es wirklich Wert. Mit einem Boot fuhren wir durch das Flussareal. Es war unglaublich, wie viele freilebende Salzwasserkrokodile wir gesehen haben. Das groesste war bestimmt vier Meter lang, zumindest sah es gigantisch aus. Beeindruckend! Sie sahen so friedlich aus, wie sie sich so in der Sonne aalten, als wenn sie keinem was antuen koennten. Naja, Distanz ist aber manchmal doch besser als Naehe bzw. Vorsicht besser als Nachsicht ;-)
 
Man haette sicherlich noch einige andere interessante Plaetze anschauen koennen. Jedoch sind viele Strassen und Wege im Nationalpark ohne Sondergenehmigung nicht passierbar.
Kreuz und Quer durch’s Outback
 
Wir hatten ein Ziel vor Augen, eine Mission: den AYERS ROCK.
 
Nach zwei Tagen im Kakadu Nationalpark fuhren wir weiter ueber Katherine, Tennant Creek, Devil’s Marbels bis nach Alice Springs. Die Fahrt erschien uns endlos. Ab und zu kam uns mal ein Truck oder ein Campervan entgegen. Die Landschaft veraenderte sich kaum. Kein karges rotes Land, wie man es sich vorstellte. Ganz zu schweigen von den Kaengeruhs, denn bis jetzt haben wir nur unzaehlige angefahrene am Strassenrand liegen sehen. Leider hat es sich die darauffolgenden Tage auch nicht geaendert, da diese huepfenden Tierchen nachtaktiv sind und wir versuchten vor Einbruch der Dunkelheit auf irgendeinem Campingplatz zu sein. Denn es kann verdammt dunkel im Outback werden. Allerdings sieht man hier auch die schoensten Sternenhimmel, da kein kuenstliches Licht rundherum den Schein truebt. Ein unglaublich toller Anblick.
 
Von Darwin bis Alice Springs waren es insgesamt ca. 1500 km, bis zum Ayers Rock noch 400, 500 km weiter. Obwohl es tagsueber angenehme Temperaturen waren, hatten wir eines Nachts in Alice Springs fast nur 2 Grad. Darauf waren wir natuerlich gar nicht vorbereitet und auch nicht das Equipment im Campervan. Also hiess es am naechsten Tag fuer mich erstmal shoppen: Schlafsack bis 0 Grad und einen zweiten Fleece.
Spaghetti, Rotwein und zum Nachtisch Ayers Rock
 
Puenktlich, kurz vor Sonnenuntergang sind wir am Ayers Rock angekommen. Da waren wir nun, dafuer haben wir etliche Kilometer, Stunden, Tage in Kauf genommen, um diesen Berg zu sehen: Uluru, besser bekannt als Ayers Rock. Das Wahrzeichen, das Postkartenmotiv von Australien, die heilige Staette der Aborigines. Hier kreuzen sich nach dem Glauben der australischen Ureinwohner die mythischen Traumpfade, die die heiligen Orte auf diesem Kontinent verbinden.
Wir befanden uns mitten im Herzen von dem fuenften Kontinent. Vor uns der riesige rote Felsen, hinter und neben uns Gleichgesinnte, die ebenso wie wir nur ein Ziel hatten, den Ayers Rock und die wechselnden Farben des Gesteins bei Sonnenuntergang zu bestaunen. Doch leider war es an diesem Abend komplett bewoelkt, so dass sich farblich wenig veraenderte. Trotzdem war es unglaublich beeindruckend. Schon alleine der Gedanke, vor dem Berg zu stehen, der wahrscheinlich zu den Staetten und Plaetzen zaehlt, die man entweder nur einmal in seinem Leben sieht oder niemals.
Mit unserem Campervan hatten wir einen perfekten Standort mit direktem Blick auf den riesigen rotbraunen Monolithen. Welche Kulisse koennte schoener sein fuer ein abendliches Pasta Gericht mit einem Glas Rotwein?
 
Das Fruehstueck am naechsten Morgen wurde natuerlich auch mit Blick auf den Ayers Rock zelebriert. Wenn man schon mal dort ist, muss man auch jede Gelegenheit nutzen. Also standen wir frueh morgens auf, sodass wir zwischen 6.30 und 7.00 Uhr zum Sonnenaufgang wieder eine grandiose Kulisse geniessen konnten – diesmal mit Kaffee, Toast und Marmelade.
Ueberlebenswille vs. Willenskraft
 
Nach dem Fruehstueck, gestaerkt und voller Energie, machten wir uns auf den Weg zum "Aufstieg", zu dem Punkt, an dem man den Ayers Rock erklimmen kann. Der Uluru zaehlt, wie schon erwaehnt, mit zu den heiligsten Staetten der Aboriginies. Eine Besteigung ist in ihren Augen eine Verletzung des Heiligtums. Obwohl das Gebiet rund um den Ayers Rock und die Olgas nun schon seit Jahren ein Nationalpark ist, der gemeinsam von den Aboriginies und Regierungsvertretern gefuehrt wird, ist die Besteigung des Monolithen nach wie vor ein nicht zu verachtener Streitpunkt. Denn dass die heilige Staette quasi mit Fuessen getreten wird, stoert nach dem Glauben der Aboriginies erheblich die Spiritualitaet des Ortes. Sie dulden zwar den Aufstieg, sehen es aber nicht gerne.
ja wo laufen sie denn?
ja wo laufen sie denn?
Da standen wir nun, winzig klein im Gegensatz zum australischen Giganten. Als ich mir den Pfad genauer anschaute, das Verhaeltnis Mensch zu Berg sah, wurde mir merklich anders. Das Warnschild mit den Worten "Diese Besteigung ist gefaehrlich. Zu viele Menschen sind hier gestorben" taten ihr Uebriges. Berichten zufolge sind hier schon mehr als 35 Menschen verendet. Vielleicht ist es auch die Rache der Aboriginies, weil man ihr Heiligtum nicht respektierte? Ich war hin- und hergerissen. Auf der einen Seite standen zu gleichen Teilen Respekt und Angst. Auf der anderen Seite dachte ich, entweder heute oder nie...
Die Kette und ich.
Die Kette und ich.
Ich wollte es versuchen, man hat ja schliesslich nicht alle Tage diese Gelegenheit. Also ging ich mutigen Schrittes den roten Felsstein hinauf. Schon nach ein paar Metern wurde es ziemlich steil und ich merkte wie meine Schuhsohlen keinen direkten Halt mehr auf dem Untergrund hatten. Ich schaute nach oben. Die Eisenkette, an der man sich entlang des Aufstieges festhalten konnte, war nur noch wenige Meter von mir entfernt. Jetzt hiess es Zaehne zusammen beissen und weiter, ganz langsam. Da war sie, die Kette, meine Rettung, dachte ich. Einige Meter war sie auch die perfekte Hilfe, wenn nicht wieder dieses rutschige Gefuehl unter den Schuhen gewesen waere. In diesem Augenblick wurde mir klar, was die Verkaeuferin bei Globetrotter mit Funktionalitaet und Vibran-Sohlen bei Outdoor-Schuhen meinte. Aber nun war es zu spaet und ich musste mit meinen Joggingschuhen vorlieb nehmen.
Es wurde immer steiler und die Abhaenge waren nicht weit vom Pfad entfernt. Ich schaute nach unten und dachte nur "Oje, mir wird schlecht." Der Parkplatz und die Menschen waren so winzig, wie Ameisen. Bis dato hatte ich keine Ahnung von meiner latenten Hoehenangst. Aber da war sie nun. Meine Haende waren schweissnass, mein Atem wurde immer schneller und Panik machte sich breit. Am liebsten haette ich "Mamaaaaa" geschrieen. Aber was haette das geholfen, hier am anderen Ende der Welt? Roman hatte offensichtlich keine Probleme – nicht mit sich, nicht mit seinen Schuhen – denn er stapfte frohen Mutes vor sich hin und war schon meterweit von mir entfernt. In meinem Kopf schwirrten jegliche Gedanken durcheinander: "Du willst den Ayers Rock besteigen! Du wuerdest aber am liebsten nach 'Mama' schreien, dass sie dich hier wieder runterholt. Du willst leben und nicht klaeglich diesen Abhang neben dir runtersegeln. Was stand nochmal auf diesem Warnschild da unten? Du willst aber auch nicht als Looser da stehen. Ach, ist doch alles schnurz. Was ist wohl wichtiger? Ueberleben oder Willenskraft?" Tja, so was geht einem alles durch den Kopf, wenn man am Rande des Abgrundes steht. Klare Entscheidung also: Ueberleben! Klingt vielleicht jetzt alles etwas dramatisch, war es in dem Moment fuer mich auch.
Ich weiss nicht genau, wie viele Meter ich geschafft habe, ich weiss nur, dass ich vollkommen erschoepft wieder unten ankam, nachdem ich den Abstieg im Vierfuesslergang bewaeltigt hatte und meine Beine sich wie reinste Geleemasse anfuehlten. Ungefaehr zwei Stunden spaeter kam Roman wieder runter. Sichtlich schweissgebadet. Allerdings nicht von Panikanfaellen sondern eher von der Anstrengung und aufkommenden Mittagshitze.
Ein Abschied fuer’s Leben
 
Nach dem Ayers Rock machten wir uns auf den Weg zu den Olgas, Kata Tjuta. Auch diese riesigen, leuchtend roten Gesteinsfelsen zaehlen zu den heiligsten Staetten der australischen Ureinwohner. Hier ist das Besteigen komplett untersagt. Schoen, dass die Australier wenigstens einmal Achtung vor den Aboriginies und ihrer Kultur zeigen.
Es gibt verschiedene Walks rund um die Olgas. Sie sollen im Licht der untergehenden Sonne ebenfalls wunderschoen sein. Wir entschieden uns jedoch fuer den Sundowner am Ayers Rock. Die Sonne strahlte, der Himmel war blau. Insofern stand dem Farbenspiel am Uluru nichts im Wege. Zeitig fuhren wir zurueck zum Ayers Rock und sicherten uns einen perfekten Platz am Sunsetareal. Nach und nach fuellte sich der Parkplatz. Wir kochten, wie in "alter Gewohnheit" unsere Spaghetti, tranken das eine oder andere Glaeschen Vino dazu und genossen den fantastischen Blick auf diesen riesigen Felsen, der so mir nichts dir nichts aus der Erde herausragte, als wenn er gar nicht dahin gehoeren wuerde. Aber wahrscheinlich macht gerade das auch die Faszination aus. Die Sonne neigte sich am Horizont und das Farbenspiel begann. Wie hypnotisiert sassen wir auf unseren Campingstuehlen und fragten uns gegenseitig, in immer kuerzer werdenden Zeitabstaenden: "Hast du schon ne Veraenderung gesehen?" Dabei war der Zeigefinger direkt am Ausloeser der Kamera und es machte alle Sekunde lang "Klick, klick, klick." Es war schon sehr beeindruckend! Vor allem auch die Leute drumherum, wie sie mit ihren Stativen auf den Daechern ihrer Autos standen und versuchten, den besten "Shoot" zu erhaschen.
Die Sonne war weg, die meisten Schaulustigen um uns herum auch. Nun war es Zeit, Abschied zu nehmen. Fuer immer. Denn ich glaube nicht, dass ich es noch einmal in meinem irdischen Leben schaffe, an diesen Ort zu reisen. Absurde Vorstellung, aber wahrhaftige Bekenntnis. "Lebe wohl, Ayers Rock!"